Skitouren am Van Mijenfjorden, Spitzbergen

Ein Kurzbericht über unsere Reise im März 2013

Wir ziehen eine gleichmäßige Spur den unberührten Hang hinauf. Hinter uns eröffnen sich herrliche Blicke auf die geschlossene Eisdecke des Fjordes. Wir sind zu acht. Es ist eine recht große Gruppe. Aber wir ergänzen uns wunderbar. Der Satz von Max, einem Teilnehmer unserer Gruppe, „ein jeder kann was, ein jeder weiß was“ wird zum Motto unserer Unternehmung. Zusammengewürfelt aus verschiedensten Gegenden (Bayern, Salzburg, Tirol, Kärnten und Südtirol), sowie mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen (Handwerker, Landwirt, Architekt, Jurist, Akademiker, Pharmazeut, Bergführer und Mediziner), sind wir doch eine Gruppe, die sehr gut zusammenpasst. Wir haben ähnliche Interessen, teilen die Begeisterung für das Skibergsteigen, alle suchen wir einsame, unverspurte Gipfel und sind motiviert, auch bei kälteren Temperaturen und windigeren Verhältnissen mit Ski unterwegs zu sein. Sowohl unter tags auf Tour, als auch abends in der Hütte, ergänzen wir uns mit unseren unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen. Ob nun ein „technisches“ Problem mit einem Motorschlitten oder einer Skibindung zu lösen ist, ob es das tägliche Zubereiten der Mahlzeiten und den Abwasch, oder einfach das Feuermachen betrifft, ein jeder hilft mit und findet schnell seine Aufgaben, in denen er seine Stärke hat.

In Spitzbergen ist der Wind ständig präsent. Das spüren wir täglich. Wir haben heuer jedoch unglaubliches Glück mit dem Wetter. Es sind uns sogar zwei, drei Tage Windstille und wolkenloser Sonnenschein beschert. Nur die arktischen Temperaturen (zwischen -15 und -20°C) erinnern uns daran, dass wir uns auf „hohen“ nördlichen Breiten, in der Arktis befinden.

So auch heute. Aber es ist heute ausnahmsweise komplett windstill. Vor uns, besser gesagt, „über“ uns liegt der Gipfel des Hisinger-Fjellet. Wir schwitzen trotz Minustemperaturen in der Märzsonne. Unzählige Spitzkehren geht es die 1000 Höhenmeter vom Südufer des Fjordes hinauf. Einzig und allein die Beschaffenheit des Schnees erinnert uns daran, dass hier der Wind aus allen erdenklichen Richtungen in den vergangenen Tagen und Wochen hart gearbeitet hat. Dennoch sind die Schneeverhältnisse heute akzeptabel und die Abfahrt verspricht, sowie der Aufstieg, einen Genuss. Irgendwie verlieren wir unser Zeitgefühl. Wir haben alle „künstlichen“ Geräusche hinter uns gelassen und treffen am Berg auf keine einzige Spur. Nur im Bereich des Ufers, zu Beginn unserer Tour, sind wir auf frische Spuren von Rentieren gestoßen und haben eine ältere Spur eines Eisbären gekreuzt. Dieses Jahr sollten diese Eisbären-Spuren der einzige Hinweis auf den hier lebenden König der Arktis sein. Wir bewegen uns dennoch und gerade deshalb, weil wir im Land der Eisbären unterwegs sind, ständig bewaffnet mit Gewehr und Signalpistole. Außerdem müssen wir als Gruppe ständig eng zusammenbleiben, gelten hier in Spitzbergen doch andere ungeschriebene Gesetze als in den heimischen Bergen. Eine Tatsache die wir uns immer wieder vor Augen halten müssen. So entsteht ein weiterer (Grund-)Satz unserer Reise: „Zusammen bleiben!“  Dieser Slogan ist, mit etwas Schmunzeln, bis zu unserer Rückkehr zum Flughafen in München, all-gegenwärtig.

Hier am Hisinger Fjellet gibt keine Hinweise auf menschliche Spuren. Wir wissen nicht, wann das letzte Mal, oder ob überhaupt jemand vor uns mit Ski diesen Berg bestiegen hat. Wir erreichen nach einiger Zeit den unspektakulären Gipfel. Kein Gipfelkreuz oder keine Steinpyramide begrüßt uns. Nur ein unbeschreiblich schönes Panorama. Höhenmeter, Name des Gipfels, Aufstiegszeit und andere technische Daten werden vollkommen unwichtig. Einzigartig und unvergesslich ist der Ausblick auf die arktische Landschaft! Das ist die alleinige und passende Beschreibung für diesen Gipfel für uns in diesem Augenblick. Dies ist die Definition für Skitouren-Hochgenuss in Spitzbergen!

Nach ausgiebiger Rast am Gipfel „pfeifen“ wir hinab. Mittlerweile hat sich die tiefstehende Sonne hinter den Bergen im Westen versteckt. Im Schatten wird es empfindlich kälter. Aber wir wissen, dass wir die Sonne heute wieder sehen werden. Sobald wir zurück zur Küste kommen, zeigt sich die Sonne wieder und schenkt uns noch ein eine Stunde Abend-Licht. Direkt am Ufer haben wir unsere Motorschlitten geparkt. Wir packen unsere Ski und Rucksäcke auf die Schlitten. Das Knattern der Motoren reißt uns aus der Stille der Einsamkeit. Wir akzeptieren dies, nachdem die Motorschlitten unseren Aktions-Radius unglaublich erweitern. Viele Touren wären ohne diese technischen Hilfsmittel einfach unmöglich. Dennoch denke ich darüber nach, in den nächsten Jahren wieder ohne diese lärmenden und stinkenden Aktions-Radius-Erweiterer unterwegs zu sein. Mit und ohne technischer Hilfe muss man Kompromisse eingehen.

Wir brausen nun die 20 km zurück zu unserer Unterkunft. Slettebu heißt unsere gemütliche Hütte. Auf dem Weg dorthin eröffnen sich nochmals unbeschreibliche Ausblick auf die uns umgebende Bergwelt und auf die untergehende Sonne. An der Hütte angekommen, stellen wir die Motoren ab und können wieder in die arktische Stille eintauchen. Arno heizt in „Null-Komma-Nix“ den Ofen der Hütte an, während Peter und Tassilo schon anfangen zu kochen. Hartmann und ich fotografieren draußen noch und versuchen das langsam wechselnde Farbenspiel festzuhalten. Ein köstliches, von uns selbst gekochtes „mehrgängiges“ Abendmenü füllt unsere Energiereserven für den nächsten Tag wieder auf. Die gute Stimmung setzt sich auch spät abends fort. Gekrönt wird der Tag als Tobias Nordlichter am Nachthimmel entdeckt. Wir alle stehen draußen in der nächtlichen Kälte, um das Blau-grüne Flackern über uns zu beobachten. Es ist ein faszinierendes Schauspiel!

An den folgenden Tagen können wir noch zahlreiche Skitouren auf umliegende Berge machen. Zwar begleitet uns oft windiges Wetter, doch ist dieses eben auch Teil der Arktis. Wir begegnen keinem anderen Skitourentourengeher. Dieses Gebiet ist von Skibergsteigern selten besucht, ist der logistische Aufwand  hier her zu kommen enorm und die Bergwelt relativ unbekannt. Dennoch und genau deshalb ist es ein einzigartiges und lohnendes Reiseziel!

Nach knapp 10 Tagen „Skitouren-Abenteuer“ in Spitzbergen, kehren wir Ende März alle gesund nach einer unfallfreien, aber spektakulären Reise zurück in den mitteleuropäischen Frühling.

Dr. Lorenz Breitfeld

Spitzbergen wird in einem Reiseführer als „ die letzte Wildnis Europas“ beschrieben.  Es ist tatsächlich ein außergewöhnlicher Ort. Seit mittlerweile 17 Jahren zieht es mich regelmäßig hierher. Nahezu jedes Jahr, manchmal auch mehrmals, bin ich Winter, Frühling und Sommer unterwegs mit Freunden, Bekannten und Touristen. Seit kurzem auch (im Sommer) mit meinen Kindern – aber das ist eine andere Geschichte…. L. B.